2008 überraschten Pascal Petignat und Martin Scholz mit einer Ausstellung, die den Titel „Das letzte Labor“ trug. Auf der Einladung war der dilettantische Schnappschuss einer heruntergekommenen, offen-sichtlich ausgedienten und ausrangierten Maschine zu sehen; der auf der Vorderseite aufgedruckte Markenname „ILFORD RAPID R200“ verriet, dass es sich um eine kaputte Entwicklermaschine aus den 1980er Jahren handelte. Die Ausstellung hielt, was die Einladung versprach.
In 2008 Pascal Petignat and Martin Scholz surprised people with an exhibition bearing the title The last laboratory. The invitation bore an amateurish snap-shot of a run-down, clearly disused machine: the brand-name ILFORD RAPID R200 printed on its front revealed that it was a broken-down processor from the 1980s. The exhibition contained what the invi-tation promised.
Mit den sukzessiven Produktionsstopps von analogen Fotoapparaten und Filmmaterial setzte im Kunst-betrieb eine weitreichende Reflexion über die für Fotografie und Film so grundlegenden Prozesse und Materialien des Analogen ein. Das Analoge ist seither nicht mehr nur Technik, sondern gleichzeitig auch Motiv und Thema. Im Folgenden wird ein Überblick darüber gegeben, wie sich das Analoge als Motiv in aktuellen künstlerischen Arbeiten manifestiert, was typisch analog ist und wie die analoge Fotografie in Erinnerung bleiben wird.
Now that the production of analog cameras and film material is ceasing item by item, in the art industry a broad reflection on analog processes and materials, so fundamental to photography and film, is begin-ning. The analog is no longer merely a form of tech-nology but at the same time motif and theme. The following is intended to provide an overview of how the analog is manifested as a motif in contem-porary artistic works, what is typically analog and how ana-log photography will be remembered in the future.
Für „Im Fokus“ wurden auch vier KünstlerInnen und ein Theoretiker gebeten, jeweils ein Beispiel aus ihrem Arbeitszusammenhang als eine „Hommage an das Analoge“ zu präsentieren: Agnes Prammer arbeitet mit Großformat und Kollodium-Nassplatten, um Quantität und Geschwindigkeit von digitaler Fotografie zu unterlaufen, Marie Gimpel hat die typische Perforation eines Kleinbildfilmes zum Anlass für eine performative Fotografie genommen, Philipp Goldbach hat Farben und Formen von Planfilmen in Skulpturen übertragen und James Wellings Project-book mit seinen detaillierten Aufzeichnungen über Materialien und Abläufe der fotografischen Prozes-se kann als Synonym für den Umgang mit analoger Fotografie verstanden werden. Nicholas Negro-ponte schließlich wirft als Medientheoretiker und Mitbegründer des MIT Media Lab in Cambridge eine Blick in die Dunkelheit als Voraussetzung für jede analoge Fotografie, auch wenn er uns im selben Text eines klar macht: „In the not-too-distant futu-re, every surface will be a display and every object will be able to see“.
Lesen Sie mehr in Eikon #88
Seit den frühen 1990er Jahren beobachtet der Künstler und Medientheoretiker Günther Selichar die Medien und ihre zunehmende Verbreitung als Informationsquelle und dabei vor allem jene Apparate und Verfahren, mit deren Hilfe die Wirklichkeit aufbereitet und vermittelt wird. Zentral ist ihm der Moment der Übertragung, bzw. die Vorbereitung dieses Moments: Wie wird ein Bild übertragbar gemacht? In welche Teile wird es zerlegt und welche Systeme und Instrumente stehen dafür zur Verfügung?
Since the early 1990s the artist and media theoretician Günther Selichar has been studying the media and their increasingly widespread use as a source of information, with a focus on those devices and methods that are used to represent and mediate reality. His main interest lies in the moment of data transmission or its preconditions: How can an image be made transferable? Into what parts is it broken down and what systems or instruments are available for this process?
Wer die herausragende Ausstellung im Museum Folkwang versäumt hat, kann sich mit dem gleichnamigen Reader gut trösten: Ein Großteil der an die 100 Ausstellungsbeiträge, die das System Fotografie in seinen vielen Facetten seit den 1960er Jahren reflektieren, ist im Buch abgebildet, außerdem Vorbilder oder Kontexte, begleitet von über 70 Künstlertexten.
Lesen Sie mehr in Eikon #88
Warschau im September 2003, ein Anruf vom Zollamt Wien: Eine aufgeregte Stimme erklärt, dass mit der Einfuhr einer künstlerischen Fotografie aus New York etwas nicht in Ordnung sein könne. Die Anruferin habe das ca. fünf Meter lange Foto eben vor sich ausgerollt und es sei nichts auf dem Foto zu sehen! – „Wirklich nichts?“ – „Nur grün.“ Ich beruhigte sie und versicherte ihr, dass alles seine Richtigkeit habe...
Warsaw in September 2003. I receive a call from the Vienna customs office. An excited voice on the other end explains that something might not be right with a photograph sent from New York. The caller had just rolled out the nearly five-meter long photo—and there was nothing on it! “Really? Nothing?” I asked. “Only green,” came the answer. I calmed her down and assured her that everything was just as it should be...
Für die letzte Vorlesung vor seinem plötzlichen Tod, Die Vorbereitung des Romans (1980), hat Roland Barthes eine offene Sammlung von Voraussetzungen angelegt, die die elementaren Überlegungen eines potenziellen Schrift-stellers reflektieren [...]
Für die Fotografie können auf ähnliche Weise grundsätzlich persönliche, medienreflexive und kunstbetriebseigene Voraussetzungen gesammelt werden: Wo beginnt eine Fotografie? Soll sie ein Motiv haben, an etwas erinnern, oder ist sie unabhängig von einem Ereignis? Wie verhält sich das Abbild zum Original? Wie sehen die Apparate aus, die Filme, die Dunkelkammer, die Silbersalze, die Entwicklerbäder, die Belichtungsmaschinen, die digitalen Oberflächen, die Screens, die Hohlkehlen, die Ateliers? Wie die Prozesse – Entscheidungen, Herstellungsprozesse, Entwicklungsprozesse? Wie das Licht und die Lichtquellen? Wie die erstarrte Bewegung, die Bildränder, der Ausschnitt, das Rechteck, die Mitte des Bildes, die Unmöglichkeit, hinter die fotografierten Gegenstände zu schauen, die verschwindenden Materialien, Schwarz und Weiß, Pixel und Korn? [...]
Seit Mitte der 1960er-Jahre die Konzeptkunst diesem peripheren Bereich, der das Werk betrifft, ohne es zu sein, gleichberechtigten Raum gegeben hat, reißt die Kette nicht mehr ab, in der das Material, die Tools und die Arbeit nicht mehr nur Dinge sind, die auf dem Weg zum eigentlichen Werk benützt werden und dann von ihm abfallen, sondern zum Werk selbst werden...
In Roland Barthes’ final lecture before his sudden death, Preparation of the Novel (1980), he laid out an open collection of requirements that reflect the basic considerations of a potential writer. Gathering the basic, personal, media-reflective, and art inherent requirements in a similar way for photography would also be possible: Where does a photo begin? with the idea or realization? on the display or on paper?
Should a photo have a motif, should it recall something, or is it independent of an event? Is time missing something when one steals a moment of it? What is the relationship of depiction to original? What does the apparatus look like: the films, darkroom, silver salts, developer bath, exposure units, digital surfaces, screens, chamfer, studio? What about the process: decisions, production processes, development processes? The light: daylight, artificial light, light sensitivities, light sources? The frozen movement, doubling of the world, reproducibility, the character of the non-original, the silence, image borders, the finished and enclosed scene, the detail, rectangle, image center, the impossibility of looking behind the photographed objects, shot/counter shot, vanishing materials, black and white, pixel, and grain? [...]
Ever since the mid-1960s, when Concept Art gave equal space to this peripheral area, which related to the work without being it, the chain has remained unbroken in which the material, the tools, and the work are no longer things used along the way to the actual work that then recede from it, but rather, become works themselves.
Wenn man sich lange genug mit Fotografie und Fotografien beschäftigt, geht man dazu über, sich immer grundsätzlichere Fragen über Fotografie zu stellen, um noch weiter in die Fotografie vorzudringen. Man nähert sich ihr über Umwege, über Metaphern oder von anderen Disziplinen, vom Film und von der Literatur her, oder versucht, sie ganz buchstäblich, strukturell zu nehmen, weil man – obwohl man einiges verstanden hat – daran zweifelt, dass man die Fotografie schon ganz begriffen hat.
Angeregt von Roland Barthes letzter Vorlesung, ist dieser Text ein Versuch, parallel zu Thomas Freilers fotografischer Arbeit über die Voraussetzungen, Entstehungsparameter und Wirkungsweisen der Fotografie zu schreiben, ohne jedoch eine bestimmte Fotografie zu meinen, und auf diesem Weg über die Möglichkeiten zu reflektieren, die zur Verfügung stehen, und über die unzähligen Entscheidungen, die getroffen werden müssen...
Fujichrome Provia 100F, „ein Farbdiafilm für den professionellen Einsatz unter Tageslicht, feine Körnung extrem gute Farbtreue und Sättigung, breiter Belichtungsspielraum“, lautet die Beschreibung im Prospekt. Wie er aber aussieht, ist nicht bekannt – denn, „essentiell ist es, den Film bei vollkommener Dunkelheit in die Kassette einzulegen“. Thomas Freiler hat ihn unter Studiolicht fotografiert und damit auch schon belichtet.
Spend enough time with photography and photographs and, inexorably, you will begin to ask yourself increasingly fundamental questions about photography as you delve ever deeper into the subject. The approach you adopt might be circuitous, through metaphors or other disciplines, film or literature; you may also seek to take it quite literally, structurally, out of a sense of doubt that you have actually fully understood photography - even though certain aspects might appear clear.
Inspired by Roland Barthes' last lecture, the preparation of photography is an attempt to write about the prerequisites, originating parameters and modes of action of photography without however intending a particular photograph; thus it is also an attempt to reflect on the possibilities that are available and the countless decisions that need to be taken...
Thomas Freiler hat die Fotografie von Anfang an buchstäblich genommen: Wie arbeiten die Apparate - die alten im Vergleich zu den neuen, die seriell erzeugten im Vergleich zu den selbstgebauten - wo endet die Realität und beginnt das Bild, oder wie simuliert man die dritte Dimension? Seine Proben lassen sich wie eine „Fototheorie in Bildern“ lesen und machen auf empirischem Weg das Phänomen Fotografie greifbar. Jede neue Probe eröffnet einen neuen Kontext und fügt sich nach und nach zu einer komplexen Reflexion über Fotografie. Je essentieller die Fragen sind, desto näher kommt man der Fotografie. Seit der Moderne kann eine Fotografie ja nicht mehr nur abbilden, […] sondern sie muss immer auch Fotografie sein, im Extremfall auch nur Fotografie allein, ohne Bild und vielleicht sogar ohne Apparat.
From the very outset Thomas Freiler has taken photography literally: how cameras work – the old ones compared with the new ones; the mass produced ones compared with the DIY ones – where reality ends and the image begins; or how you simulate the third dimension. One might interpret his “specimens” as a theory of photography in images, making the phenomenon of photography palpable by empirical means. Each new specimen opens up a new context, which in turn is gradually compiled into a complex reflection on photography. The more fundamental questions are, the closer one gets to photography. In the wake of Modernism no photograph merely depicts […] it must always also be a photograph, in the most extreme case solely a photograph, without an image and perhaps even without a camera.
FKK am Strand von El-Alamein lautet der Titel eines Konvoluts an Kleinbilddias, das Tatiana Lecomte aus einem Papiercontainer geborgen hat. 40 gemeinsame Jahre eines Paares waren darin verborgen, ihr Alltag, aber auch Strand-urlaube wie jener in El-Alamein in den 1960er Jahren – ungewöhnlich daran sind die immer erotischen bis pornografischen "Stellungen"
der Frau. Ein Blick zurück in die Geschichte
zeigt, dass der Strand von El-Alamein nur wenige Jahre zuvor Bühne für Ereignisse ganz anderer Art war...
FKK am Strand von El-Alamein, or Naturism on the Beach at El Alamein, is the title of a convo-lute of 35-mm slides Tatiana Lecomte salvaged from a wastepaper container. In it were forty years of a couple’s life together—everyday sce-nes, but also beach vacations including one at
El Alamein in the 1960s—with one unusual feature: the woman always struck erotic and sometimes downright pornographic “poses.” Only a few years earlier, the beach at El Alamein had entered history as the scene of very diffe-rent events...
Noch nicht an der Reihe, aber das Händchen schon aufgehalten, blickt das Kind weder in die Kamera noch auf die Frau, die so anders aussieht. Seine Augen folgen dem verlängerten Arm, mit dem die Fremde – deren Name Leni Riefenstahl ihm nichts bedeutet – etwas aus ihrer Schüssel verteilt...
Not his turn yet, but already holding out his hand, the child looks neither at the camera, nor at the woman who looks so different from him. His eyes follow the outstretched arm with which the stranger - whose name, Leni Riefenstahl, means nothing to him - shares something from her bowl ...
Ein Stück Spitze war Teil der ersten öffentlichen Demonstration von Fotografie, die Henry Fox Talbots 1939 in der British Association in Birmingham abhielt. Bemerkenswert ist, dass Talbot vor allem daran gelegen war, die ganze Palette an Möglichkeiten aufzufächern, die sein Verfahren zu bieten hatte. Talbot hatte daher Gegenstände wie die Spitze wegen ihrer schwierigen Reproduzierbarkeit ausgewählt, und sie letztlich als Vehikel einer „ Selbstdarstellung des Mediums Fotografie“ genützt. Man beachte, dass er fast immer auch eine Ecke der Spitze umgelegt hat, um an dieser Stelle das Geflecht noch komplizierter zu machen.Angelika Krinzinger knüpft in ihrer aktuellen Serie an dieses Interesse Talbots an und schreibt dessen medienreflexive Experimente weiter [...]
Eine 3-teilige Ausstellung aus der österr. Fotosammlung des Bundes. Kuratorin: Ruth Horak, Idee: Gudrun Schreiber
800 Seiten ohne Pagina, 80 g Normpapier, Hardcover mit Schutzumschlag...
National Maritime Museum Greenwich: Im Foyer des National Maritime Museums ist ein Meteorit mit dem Titel oldest piece on earth (approx. 80 million years) ausgestellt. Es ist erlaubt, ihn anzufassen, aber nicht ihn zu fotografieren
„Mikroskopische Aufnahmen in Form extremer Vergrößerungen von Massenmedien wie Compu--terdrucken, Zeitungen, Plakaten, Fotokopien, Computer- und TV-Monitoren oder Fotografien …
2008 haben drei politisch ak-tive FotografInnen das Kollek-tiv Annegang gegründet und das gleichnamige Magazin produziert, das mit künstle-rischer und politischer Inter-vention die Überwindung der inneren Sicherheit vorschlägt.
Fotografien aus der Fotosammlung der Republik Österreich und den HGB-Klassen Bara, Brohm, Piller, Selichar und Specker. 48 KünstlerInnen mit über 250 Werken bespielten das 2. OG der HALLE 14 in der eh. Baumwollspinnerei Leipzig.
KünstlerInnen der österreichischen Fotosammlung: Annegang, Werner Feiersinger, Michael Höpfner, Rainer Iglar, Krüger & Pardeller, Tatiana Lecomte, Mahony, Dorit Margreiter, Christian Mayer, Susanne Miggitsch, Gregor Neuerer, Tina Ribarits, Gabriele Rothemann, Constanze Ruhm, Elfie Semotan, Margherita Spiluttini, Michael Strasser, Sofie Thorsen, Anita Witek
KünstlerInnen der HGB Leipzig: Fine Bieler, Lena Brüggemann, Christoph David, Silke Fischer-Imsieke, Susanna Flock, Alba Frenzel, Marie Gimpel, Marco Habeck, Ulrike Hannemann, Martin Höfer, Susanne Käßner, Marta Kryszkiewicz, Philipp Kurzhals, Nils Mollenhauer, Martin Reich, Anne Rombach, Lorenz Schreiner, Stefanie Schroeder, Sandra Schubert, Günther & Loredana Selichar, Heidi Specker, Wenzel Stählin, Hayahisa Tomyasu, Monique Ulrich, Hannes Waldschütz, Manuel Washausen, Jonas Wilisch, Katrin Winkler, Lisa Zwielich
Parallel Biographies is the third in a series of group exhibitions from the Austrian Federal Photography Collection, in this case bringing together artists from Vienna and Vancouver (in cooperation with Sabine Bitter and the Audain Gallery). Every photograph has a background story linking its creator and the circumstances of its production: what decisions were made, what steps were rejected, what traces of production are still visible? Once such questions are asked, a biography of the image can be written.
In taking a comparative look at these artists parallels can be drawn in the questions asked through their work. What traces has modernist architecture left in the world? Why is each photograph a reflection of its media? Why is working with archives and collage a consequence of working with printed media? Corollaries, which could be categorized as largely conceptual, exist between the works’ different locales and approaches as they explore these and other related questions.
KünstlerInnen der österreichischen Fotosammlung: Thomas Freiler, Krüger & Pardeller, Tatiana Lecomte, Christian Mayer, Sissa Micheli, Anita Witek
KünstlerInnen aus Vancouver: Arni Haraldsson und und Tim Lee, Kyla Mallett, Jayce Salloum, Kevin Schmidt, Elisabeth Zvonar