Das Zwielicht, in dem die Dinge nicht ganz klar erscheinen, steht Pate für Effekte des Vagen oder der Fragwürdigkeit in Bildern. Bilder beeinflussen auf sublime Weise: sie evozieren Stimmungen, lenken Blicke, schleusen Anspielungen ein und können damit Eindeutiges in ein Zwielicht setzen. Die Wirkung dieser absichtlichen Manöver auf ihre Rezipient:innen fließt in eine empirische Ästhetikstudie ein.
Mit Vincent Forstenlechner, Michael Giefing, Adriána Ingeli, Benjamin Laabmayr, Lea Mair, Olesya Parfenuk, Nico Pistec, Mirjam Reiter, Lea Sonderegger, Laura Spes, Anna Skuratovski, Lukas Thüringer, Moritz Zangl
kuratiert von Caroline Heider und Ruth Horak im Rahmen des Intra-Projekts Magic Hour- The uncanniness of twilight.
Ästhetikstudie: Gernot Gerger
Ausstellung
konzepte des zwielichts
VZA 7 – Raum 046
Vordere Zollamtsstraße 7, 1030 Wien
Ausstellung 11- 20h geöffnet
Partizipation an der Studie 11- 17h
Guided Tour: 1.7. 16h
VZA 7 – Raum 046
AICA AUSTRIA, die Internationale Vereinigung der Kunstkritiker*innen in Österreich,
schreibt in Kooperation mit dem BMKOES zum 5. Mal den Preis für junge Kunstkritik aus.
Eingeladen sind Autor*innen, die in Österreich wohnen und nicht älter als 35 sind. Der Text soll eine Ausstellung zeitgenössischer Kunst besprechen, die 2021 in Österreich zu sehen war/ist. Er soll auf Deutsch geschrieben sein und max. 5000 Zeichen (inkl. Leerzeichen) umfassen. Eine Publikation kann, muss aber nicht erfolgt sein. Besonderes Augenmerk wird auf einen klaren Schreibstil, eine gute Argumentation und eine kritische Beurteilung gelegt.
Die Jury setzt sich aus dem Vorstand von AICA AUSTRIA zusammen.
Den Text, Fotos aus der Ausstellung sowie eine kurze Biografie (max. 500 Zeichen) schicken Sie bis 29. August 2021 an: vorstand@aica.at
Die beste Einreichung wird vom BMKOES mit € 1.000 honoriert.
Jede Fotografie ist eine technische Aufnahme. Die meisten Fotografierenden ignorieren das weitgehend, weil die Technik hinter den Displays gut versteckt ist und die Hersteller den Userïnnen dieser Plug & Play-Geräte das Gefühl geben, mit wenigen Handgriffen und vorkonfigurierten Effekten ihre Bilder selbst „entwickeln“ zu können.
Diejenigen jedoch, die eine fotografische Ausbildung absolviert haben, sich eingehend mit dem Wesen der Fotografie auseinandersetzen bzw. Facetten des Mediums konzeptuell-künstlerisch interpretieren, sehen in der Technik nicht nur eine Notwendigkeit, sondern finden in ihr eine Quelle unzähliger faszinierender Themen mit ästhetischem Potenzial.
Fotografie als Motiv schildert beispielhaft das Zusammentreffen von fotografischer Aufnahmepraxis und künstlerischer Reflexion. Drei Künstlerinnen, Lisa Rastl, Claudia Rohrauer und Caroline Heider reflektieren ihr Handwerk, ihre Qualifikation, ihr technisches und theoretisches Wissen, ihre Arbeit am Motiv, kurz: Die Facetten der bildgebenden Medien im Bild.
„Was alles ist Fotografie? Ein Schwarm von Silbersalzpartikeln oder von Nullen und Einsen, die Basis für tags, ein leerer Film oder not available, eine Projektion auf der Mattscheibe, ein Screenshot, eine Fülle an Photoshop-Ebenen, ein Loch in einem Blatt.“
Alles ist Fotografie ist ein tribute an ein Medium, das heute omnipräsent wie kein anderes ist und nahezu alle Bereiche unseres Lebens auch in Zukunft mitbestimmen wird.
Ähnlich hat es Hans Hollein für die Architektur gedacht, als er 1968 ein visionäres Manifest mit dem angriffslustigen Titel Alles ist Architektur in der Zeitschrift Bau veröffentlicht: Er stellt die traditionelle Definition von Architektur in Frage und demonstriert mit rund 80 Bildern aus dem Kunst-, Architektur- und Modekontext, sowie Darstellungen von technologischen Entwicklungen und unserem Alltag, leidenschaftlich und bisweilen unterhaltsam, was alles im weitesten Sinn Architektur sein kann und welches Potenzial generell im Disziplinen-übergreifenden Denken liegt.
Alles ist Fotografie ist eine Hommage an dieses Manifest, eine Übertragung auf die Fotografie. Wie schon bei Hans Hollein ist auch Alles ist Fotografie in zwei Teile gegliedert: Einen Text, der im Sinne eines postmodernen Re-Writings eng an sein Vorbild angelehnt ist, und einen spielerischen Bildteil, der vor allem künstlerische Beiträge umfasst, aber auch ein Suchbild, in das sich 10 Fehler eingeschlichen haben, oder einen QR-Code, der zu einer literarischen Momentaufnahme führt.
Die rund 80 Abbildungen spannen einen Bogen von den grundlegendsten Bedingungen der Fotografie bis hin zu naheliegenden Zukunftsvisionen – von der (Loch-)Kamera bis zum Datenbild und vom Papierbild zur Cloud. Fotografien liegen in analogen und digitalen Archiven, bestehen aus 16,8 Millionen Farben oder sind nicht mehr fotografiert, sondern computergeneriert.
Entstanden ist die Publikation als künstlerischer Beitrag von Gregor Eggenberger anlässlich der Ausstellung „ab_bilden“, die sich auf Hans Hollein bzw. die von ihm entworfene Österreichische Botschaft Berlin bezieht.
Mit einem Text von Gregor Eggenberger und Ruth Horak.
Abbildungen von Marina Abramović, Josef Albers, Sabine Bitter & Helmut Weber, Ernst Caramelle, Thomas Demand, Gregor Eggenberger, Ólafur Elíasson, Joan Fontcuberta, Sonja Gangl, Philipp Goldbach, Alain Robbe-Grillet, Felicity Hammond, Lamia Hilwé, David Hockney, Hans Hollein, Gottfried Jäger, Claudia Larcher, Naomi Leibowitz, Jacinthe Lessard, Harald Mairböck, Andy Mattern, Andreas Müller-Pohle, Taiyo Onorato & Nico Krebs, Julian Palacz, Pascal Petignat, Timm Rautert, Stephan Reusse, Jörg Sasse, Adrian Sauer, Günther Selichar, Stefanie Seufert, Cindy Sherman, Susan Sontag, Simon Starling, Eva Stenram, Hiroshi Sugimoto, Hito Steyerl, Sofie Thorsen, Sophie Thun, Anna Viebrock, Tamás Waliczky, Gillian Wearing, Sinta Werner
Als sich in der Früh die Nachricht verbreitete, dass die Fotografie abgeschafft worden sei, schüttelten alle den Kopf über den schlechten Aprilscherz. Zwar waren in der Stimme des Nachrichtensprechers keine Schwankungen zu bemerken, die einen verdeckten Scherz erahnen hätten lassen, im Gegenteil, seine Stimme war stockend und trocken wie unter Schock. Auch die Begründung schien plausibel: Die Welt kann einfach nicht mehr. Die Welt ersticke in Fotografien, in Duplikaten ihrer selbst, die sie überdeckten und ihr die Luft zum Atmen nehmen. Die einzige Chance sei, die Fotografie sofort abzuschaffen, bzw. in Folge auch einen Großteil der vorhandenen Fotografien zu löschen. Man argumentierte mit Zahlen: Hunderte Milliarden Fotos im Internet, weitere Milliarden auf Plan-, Roll- und Kleinbildfilmen, in Zeitschriften und Büchern, ließen keinen Platz mehr für die echte Welt. Das Licht weigere sich nunmehr, Bilder zu transportieren, und die Zeit hätte es satt, dauernd unterbrochen zu werden.
Man schenkte der Nachricht vorläufig keinen Glauben. Sie war zu absurd. Zwar hatte man mit Covid gelernt, Einschränkungen zu akzeptieren, aber DAS konnte nicht wahr sein.
Und doch war man angespannt, nervös.
Schließlich der Klick auf das Kamerasymbol. Er mündete im kollektiven Aufschrei. Die Verschlüsse öffneten sich nicht mehr, die Displays blieben schwarz. Die Berichte überschlugen sich: Labore, deren Maschinen nur mehr leere Papiere ausgaben, Reporter ohne Stories, und Teenager, die sich nicht mehr mittteilen konnten und unter Informationsschwund litten. Dazwischen immer wieder die dringenden Apelle, die Situation mit Fassung zu tragen. Sie sei doch zum Wohle aller.
Nach Wochen der Unruhe, aufflammenden Diskussionen, zahllosen Hersteller-Statements, Influencer-Interventionen, Reklamationen, Streiks und Demonstrationen, machte sich Resignation breit. Die Displays blieben schwarz.
Die Fotografie war ersatzlos gestrichen worden, ohne Aussicht auf Wiederkehr und auch nicht auf einen Kompromiss – einfach weg, von einem Tag auf den anderen, ohne Übergangsfrist, ohne Gewöhnungsphase.
Wer im Moment der Abschaffung den Finger am Auslöser hatte, hatte unter Umständen Glück gehabt und gerade ein letztes Foto geschossen. Diejenigen mit weniger Glück, ergatterten noch ein halbes Foto oder ein vierteltes, oder ein unscharfes oder verpixeltes.
Was wird nun aus all den Sonnenuntergängen, Kussmündern und Katzenmemes, aus all den besonderen Momenten, die verloren gehen? Kehlmann lässt den enttäuschten Daguerre zu Gauß sagen: „Jetzt sei der Moment für immer verloren!“, als sich dieser ungeduldig losreißt und aus dem Bild läuft, dem Fotografen jedoch ruhig entgegnet: „Wie alle anderen, wie alle anderen“.
1. April 2021
Trophäen ihrer Exzellenz sind Skulpturen, Fotografien, Displays. Ansichten von Architekturen sind auf Kuben, die wie Sockel mit auskragenden Elementen gebraucht sind, kaschiert. Ein Schriftzug ist herausgeklappt – UNIVERSITÄT –, ein überdimensionaler Fuß überragt einen Eingangsportikus und ein gefallener Turm lehnt über der vertikalen Ansicht seines eigenen Abrisses. Sabine Bitter & Helmut Weber haben die Trophäen ihrer Exzellenz in einer mehrjährigen Auseinandersetzung mit der Geschichte der Goethe-Universität Frankfurt entwickelt –
auslösend war insbesondere der Umzug der Universität vom innerstädtischen Campus Bockenheim auf den Campus Westend – und haben damit auf die ideologischen und baulichen Veränderungen reagiert, die die Universität seit ihrem Gründungsjahr 1914 durchlebt hat, bzw. auf den symbolischen Gehalt der medialen Berichterstattung, der sie begleitet hat. [...]
RH
Lesen Sie weiter in: Sabine Bitter & Helmut Weber (Hg.): Bildungsmoderne entzaubern, 2021
1839, als die Fotografie veröffentlicht wurde, sahen Visionäre bereits, dass ihr Auftritt fulminant und ihr Einfluss auf die Welt enorme Ausmaße annehmen würde. Gleichzeitig nahm sich die Fotografie so sehr zurück, dass man bis heute fast immer an ihr vorbei auf das Abgebildete schaut und sie erst sichtbar wird, wenn sie „nackt“, ohne ein kleidendes Bild, ist.
1990, als Friedl Kubelka die Schule für künstlerische Photographie gründete, festigte die Fotografie gerade ihren Status als künstlerische Disziplin. Rund 170 Lehrende wurden seither beauftragt, ihre persönlichen Arbeitsweisen, Motive und Materialien an rund 580 Studierende weiterzugeben. Jahr für Jahr wird ein neues Programm erarbeitet, seit 2010 unter der Leitung von Anja Manfredi, das in sehr dichten Unterrichtseinheiten stattfindet und den Fotografie-Diskurs möglichst vielgestaltig hält.
Im Zentrum steht die Faszination für ein Medium, dessen Anwendungen heute vielfältiger sind als je zuvor, das anspruchsvoll und banal zugleich ist, aufwändig produziert ist oder nebenbei passiert, das zum Alltag, zur Wissenschaft, zur Kunst gehört, und damit stets aufs Neue evaluiert werden muss, wo die Fotografie beginnt, wie weit sie reicht und welchen Einfluss ihre Omnipräsenz auf die künstlerische Fotografie hat.
Anlässlich der ersten 30 Jahre Schule Friedl Kubelka für künstlerische Photographie hat Ruth Horak Künstler_innen aus dem Umfeld dieser Privatschule eingeladen, und zeigt exemplarisch, dass Fotografie nicht nur Bild, Botschaft und Medium sein kann, sondern auch Sound und Objekt, autonom und eine Hommage. 17 Künstler_innen reflektieren in ihren Beiträgen Bedingungen des fotografischen Mediums und greifen damit Themen auf, mit welchen sich Fotografierende auseinandersetzten müssen – sei das die Authentizität der Farben, der Abbildungsmaßstab, die Vervielfachung, das Negativ, die Filmentwicklung, die Kamera, die Objektive und ihre Einstellungen, die Papiere, die Auflösung, das Moiré.
Blick in die Ausstellung Während alle fotografieren, können sich manche mit der Fotografie beschäftigen
Fotohof Salzburg, Herbst 2020
oben: Raffaela Bielesch (li) + Kerstin von Gabain (re)
alle Fotos: Herman Seidl
Kuratorin: Ruth Horak
3. Oktober bis 19. Dezember 2020
Virtueller Rundgang: https://vt.fotohof.at/galerie/schule-kuenstlerische-photographie/index.html
Interview: https://www.youtube.com/watch?v=MNhRN2E-zKU&feature=youtu.be
Der Arbeitsmantel für eine Kamerafrau ist eine Maßanfertigung aus einem von Rosa John entworfenen Stoff. Der Rapport zeigt Prismen bzw. eine von ihnen ausgehende Lichtbrechung, die aus der Broschüre eines Objektivherstellers zitiert sind.
In Ways of Looking (Prisms) greift sie diese Tools der Lichtlenkung, die man nie zu sehen bekommt, erneut auf. Normalerweise im Inneren verborgen, werden Glaskörper, wie sie in Kameras und Teleskopen verbaut sind bzw. deren ästhetisches Potential freigelegt
Im Vordergrund: Die ersten 30 Jahre - PHOTOGRAPHIE, Publikation annlässlich des 30. Jubiläums der Schule Friedl Kubelka für künstlerische Photographie, Wien
im Hintergrund 2 Raumsituationen von Martin Bilinovac: Sie lenken die Wahrnehmung z.B. durch Perspektive, Manipulationen etc. ab und bringen den Blick – aus der Routine hinaus – ins Stolpern. Die Gegenstände forcieren die Reduktion des dreidimensionalen Raums, indem sie gegen die Perspektive und damit gegen einen kontinuierlichen Raum oder die Raumtiefe angeordnet sind.
Claudia Rohrauer:„Selbstporträt als Entwicklungstank entstand 2018. Im September 1998 stand der Entwicklungstank ganz oben auf der Liste mir vollkommen fremden Gegenständen, die für den Werkstättenlabor-Unterricht an der Abteilung für Photographie und AV-Medien an der Graphischen zu besorgen waren. Das war zu Beginn des ersten Schuljahres, damals war ich 14 Jahre alt. 22 Jahre nachdem ich meinen Namen in Großbuchstaben mit permanent Marker auf den leuchtend orangen Verschlussring geschrieben hatte, begreife ich diesen Akt, so pragmatisch er damals auch war, als den ersten, wenn auch unbewussten Versuch, mir das Medium anzueignen.“
Ausgangspunkt der Fotografien von Anja Manfredi ist ein Set roter Stangen, das zu Maria Montessoris „Sinnesmaterialien“ zählt und zum Erlernen ordnender, motorischer und begrifflicher Fähigkeiten ist. Montessori vergleicht den „absorbierenden Geist“ des Kindes mit dem Fotoapparat. Während der ersten Lebensjahre haben Kinder die Fähigkeit, Umwelteindrücke in ihrer Gesamtheit im Unterbewusstsein zu speichern. Sie werden im Dunkeln des Unterbewusstseins verarbeitet und treten später in geordneter Form, z.B. als Sprache, wieder zutage. (J. Tabor)
Blick in den Hauptraum des Fotohofs
Auf dem zentralen Sockel – ein Deckenelement der Shed-artigen Dachkonstruktion des Fotohofs (vom Architekturbüro transparadiso entworfen) wurde dafür auf den Boden gespiegelt – kommen Stücke zusammen, die die gezeigten Werken umspielen. Sie stammen aus der Recherchephase, sind das Motiv selbst oder ergänzen es, reichen von der Editionsbox bis zur filmischen Dokumentation. Denn die zentrale Herausforderung jeder künstlerischen Ausbildung ist: Wie wird aus einer Idee und einem Motiv schlussendlich ein Werk?
Idee: Ruth Horak, Entwurf: Vita Horak, Ausführung: Alles im Lot
A different Yellow von Stephanie Stern ist das abstrakte Ergebnis einer Sammlung gelber Gegenstände. Das ursprüngliche
Stillleben hat Stephanie Stern am Computer zigfach vervielfältigt und bei gleichbleibender Auflösung im Maßstab so lange verändert, bis nur mehr Fragmente der Objekteigenschaften übrig waren.
Silenct Cycle without Memory basiert auf einer ähnlichen Vervielfältigung: Stephanie Stern hat das Motiv – acht Holzlatten – in den verschiedensten Konstellationen fotografiert und erst
anschließend kompiliert, sodass die Ausgangsmotive bei aller Kleinheit noch sichtbar sind
Bekannt für seine Auseinandersetzung mit bestehenden Bildern, die er aus ihren ursprünglichen Zusammenhängen löst und in neue stellt, hat Peter Piller zwei Bilder aus frühen wissenschaftlichen Publikationen über Höhlenzeichnungen entnommen, in welchen sogenannte „unbestimmte Linien“ abgebildet sind, über deren kommunikativen Gehalt man Jahrtausende später nur mehr spekulieren kann. Pillers Reproduktionsprozess bleibt im finalen Bild absichtlich sichtbar (Lichteinfall, Unschärfe) um über die lesbaren Botschaften hinaus auch den Umgang mit Bildern (s/w Aufnahmen, Druckkorn, Reproduktion etc.), zu zeigen.
In den Undecided Frames von Aglaia Konrad kommt ein zutiefst fotografisches Thema zum Ausdruck: Welche der beiden Aufnahmen ist die bessere? „It deals with the problematic, which is inherent to the photographic practice, the choice of the absolute best picture. To me that choice is quite often difficult to make because one step to the right or to the left or at least 5 sec. later the situation becomes different enough to justify the photographic standpoint.”
Der Titel der insgesamt 7-teiligen Serie sagt bereits alles: Moiré. Ein Begriff, der für ein Ärgernis steht, wenn sich fein-linierte Motive mit einer sich wellenförmig ausbreitenden Linienführung gegen eine mediale Übertragung wehren. Von Käthe Hager von Strobele bsichtlich und unter humorvollen Bedingungen herbeigeführt, entfalten sie jedoch ihre Reize.
Für ihre Performances bekannt, zeigt Roberta Lima Fotografien und einen Film, welche die Performance
ReBirth dokumentieren. In der Gegenüberstellung der stillen und der bewegten Bilder wird ein großes Thema der Fotografie offengelegt, nämlich wie verbindlich die Wahrheit ist, die wir
als Betrachter_innen, die nicht live zugegen waren, von diesen Medien vermittelt bekommen. Der stille Ausschnitt der fotografierten Realität wird im Film um eine akustische Ebene erweitert aber vor
allem um die Dramatik der Abläufe.
Eröffnung der Ausstellung mit Michael Mauracher, Friedl Kubelka, Anja Manfredi und Ruth Horak
Michael Mauracher hat A Few Iconic Palm Trees (Mapping Mid-Century Modern Architecture in Southern California) – an die nicht minder ikonischen Gebäude geknüpft, in deren Vorgärten und Gärten von Palm Springs und Palm Desert er sie 2015 fotografiert hat (Albert Frey House, Schindler House, Richard Neutra, Frank Lloyd Wright …). Damit sind sie eine Hommage an die (heutigen) Denkmäler des Mid-Century-Modernism, die ab den 1930er Jahren in der kalifornischen Wüste errichtet wurden.
Anita Witek hat anlässlich des 30-jährigen Bestehens der Schule 30 Ausschnitte aus verschiedenen Printmedien der Jahrgänge 1990-2019 reproduziert, die im Original nur rund 2×2,5 cm klein sind. Sie hat dafür jeweils den erstmöglichen Schärfebereich gesucht, der bei einer maximalen Nähe der Kamera zum Motiv möglich war. Die Bilder sind so eng beschnitten, dass sie zuerst abstrakt wirken, aber gleichzeitig doch so vielgestaltig sind, dass man auf Grund ihrer Formen und Farben Gegenstände erahnen kann und sich unter dem mehrdeutigen Titel Do it in the Dark, der von einem Handbuch für Labortechnik aus den 1970er stammt, diverse Assoziationen anstellen lassen.
ADRIAN SAUER
Für ein 3-teiliges Hörstück wurden Sätze über die Fotografie, ihren Status und ihre Rolle in der Gesellschaft eingesprochen: „Wir haben Softwarefilter, die aus einem Bild jedes andere machen, ohne Widerstand, ohne Phantasie.“ Die prägnanten Aussagen sind aufschlussreich, überraschend, mitunter provokant oder widersprüchlich. Eine Stimme hinterfragt László Moholy-Nagys Manifest Die beispiellose Fotografie von 1927, indem sie dieses aktualisiert und mit seinem schwärmerischen Ton versucht, die Fotografie in der Gegenwart zu betrachten. Eine zweite Stimme bezieht sich auf Lucia Moholys Buch One Hundred Years of Photograph von 1939, in welchem sie das Verhältnis von Fotografie und Demokratie thematisiert.
Keine Fotografie ohne Licht – die Kamera als feinmechanisches Präzisions instrument sorgt dafür, dass nur eine exakt bestimmbare Lichtmenge in ihr Inneres eindringen darf. In genormten Blendenstufen von 1,4 / 2 / 2,8 / 4 / 5,6 / 8 / 11 / 16 / 22 kann ein Kameraverschluss justiert und damit (gemeinsam mit der Verschlusszeit) der Lichteinfall gesteuert werden. Rosa John hat neun solcher klassischen Blendenschritte um ein Vielfaches vergrößert bzw. physische erfahrbar gemacht, indem sie ihnen (die sonst nur Öffnungen sind) einen Körper aus Messing gegeben haben.
Bekannt für ihre konzeptuelle Art, die Fotografie zu denken, haben Horakova + Maurer ihren Beitrag auf einer provokanten Geste aufgebaut: dem Zerschneiden analoger Planfilme. Ein belichteter und entwickelter Kodak Ektachrome Film, 8 x 10 inch, ist mit einer Geste, die sowohl an Lucio Fontana als auch an Zorro erinnern darf, aufgeschlitzt und anschließend gescannt und beide Seiten auf Baryt ausbelichtet. Im Gründungsjahr der Schule, 1990, war die Fotoindustrie auf ihrem Zenit. Bis heute wurden zahlreiche der klassischen, lichtempfindlichen Materialien aufgelassen und der „Last Print“ (H+M) kann als Synonym für das Ende einer auf Film basierenden Fotografie gelten.
Als Friedl Kubelka 1990 die Schule für künstlerische Photographie gegründet hat, war die Fotografie noch analog und ein Papierbild, das man in der Hand halten konnte. Die Dunkelkammer war das Herz der Schule . Den Unterricht bestritten Protagonist_innen aus ihrem künstlerischen Umfeld, die nicht zwingend Fotograf_innen sein sollten: so sind Hans Scheirl, Hermann Czech, Franz Schuh oder Timm Starl auf den Fotomontagen zu finden, die Friedl Kubelka 1992, 1997 und 2000 angefertigt hat.
Markus Krottendorfer verwendet die
Fotografie als ein Medium, um Geschichten zu erzählen: z.B. von einer realen Reise zu einem fiktiven Gebirge, das man 1799 in eine Landkarte an der Stelle der heutigen Elfenbeinküste eingefügt und das sich in sämtlichen Karten Afrikas bis ins frühe 20. Jh. gehalten hat.
100 Sätze zur Fotografie ...
Als sie 1839 der Öffentlichkeit vorgestellt wurde,
sahen Visionäre bereits, dass ihr Auftritt fulminant
werden und ihr Einfluss auf die Welt enorme Ausmaße annehmen würde.
Seither wurden ihr immer mehr
Zuständigkeiten überantwortet.
Sie ist weit vorgedrungen – in Wissenschaft, Presse
und Kommunikation, unter den Meeresspiegel und
ins Weltall.
Solange eine Fotografie etwas abbildet, wird immer an ihr vorbei
auf das Abgebildete geschaut. Erst wenn sie „nackt“ ist, ohne ein
kleidendes Bild, wird ihr Wesen sichtbar.
Timm Rautert hat vorgeschlagen, sie, die Fotografie, deutlicher zu kennzeichnen, z.B. das Wort PHOTOGRAPHIE groß ins Bild zu montieren.
Lesen Sie weiter in: Die ersten 30 Jahren - Photographie, 2020
Im Bestreben, sämtliche Empfindungen des Lebens zu erleben, ist das bewusste Individuum durch seine körperliche und zeitliche Begrenzung gezwungen, sie in einer konzentrierteren, geistigen Form aufzunehmen.
Man Ray, 1915
Wie Man Ray bemerkte, wird der Mensch vom Bewusstsein um seine Endlichkeit dazu angetrieben, die unfassbar vielen Gegebenheiten der Welt seinem eigenen bescheidenen Aufenthalt auf dieser Welt anzupassen. Indem er seine Umwelt bzw. seine Erfahrungen mit dieser Umwelt analysiert, seziert, dokumentiert und konserviert, um sie zu sammeln bzw. Erkenntnisse, die er daraus zieht, aufzuschreiben, zu ordnen und in Beziehungen zueinander zu setzen, wird die Welt für ihn ansatzweise überschaubar.
Der Mensch hat dafür immer elaboriertere „Aufschreibesysteme“ (Friedrich Kittler) und geeignetere Geräte entwickelt, um (nach Ernst Mach) zu Großes oder zu Kleines, zu Schnelles oder zu Langsames fassbar zu machen, hat
Enzyklopädien veröffentlicht, Speichermöglichkeiten mit immer größeren Kapazitäten erfunden und für die öffentliche Nutzung Bibliotheken, Archive, Datenbanken etc. angelegt und zugänglich gemacht, damit unsere wachsende Wissensproduktion nicht versiegt. Visionen wie die Paul Otlets, das gesamte Wissen der Menschheit zu versammeln, tauchen in zahlreichen utopischen und dystopischen Romanen auf, etwa in The Giver, wo eine Postkatastrophengemeinschaft aller Erinnerung enthoben vor sich hin lebt, während der Hüter der Erinnerung (so der dt. Titel des Romans) alles Wissen in sich aufbewahrt. – Eine Vision, die heute greifbarer denn je erscheint: „Das Ziel von Google ist es, die Information der Welt zu organisieren und für alle zu jeder Zeit nutzbar zu machen", heißt es unter about.google.
Auszug aus: Ruth Horak, Die Verlängerung der Endlichkeit. In: Fiona Tan, Mit der anderen Hand, 2020
Entstanden in der Lehrveranstaltung "Interview" von Caroline Heider mit den Studierenden Muhassad Al-Ani und Erli Grünzweil.
Abteilung für Angewandte Fotografie und zeitbasierte Medien / Maria Ziegelböck
Was kann Fotografie?
What is photography able to?
Was kann Fotografie nicht?
What is photography not able to?
Was ist eine Fotografie?
What is a photograph?
Welche Fotografie ist Dir besonders im Gedächtnis geblieben? Warum?
Which Image you have remarkable in mind? why?
Spielt Dein persönlicher Geschmack eine Rolle in der Bewertung eines Bildes?
Does personal taste matter when you review / evaluate an image?
Kann die Fotografie noch provozieren?
Can photography still provoke?
Wem gehört mein Bild?
Who owns my image?
[…]
Beatrix Zobl und Wolfgang Schneider gießen die Beobachtungen, die sie beim Betreten und Queren eines Raumes oder bei einem kurzen Gespräch gewinnen, in Fotografien. Man spürt, dass sie kommen und gehen konnten, wann und wohin sie wollten. Das Normalobjektiv, mit einem Sehwinkel von ca. 50°, entspricht dabei ebenfalls unserem „normalen“, natürlichen Eindruck, den auch Robbet-Grillet zum Wirt und der Gaststube einnimmt. Ihr Blick ist ein herumschweifender Blick, oft an den konventionellen Kompositionsregeln vorbei auf Umliegendes gerichtet. Sowohl schnell und leise aus der Hand als auch unhandlich und geräuschvoll vom Stativ geschossen, wirken die Kleinbild- wie auch Mittelformatfotografien gleichermaßen zwanglos und unaufdringlich.
Erst die letzte Serie räumt den Mitarbeitern Raum als Individuen ein, die auch ein Leben außerhalb des Betriebes führen. Trotz Arbeitsbekleidung und ihrem Verbleib am Arbeitsplatz, auf dem sie sich auch sonst aufhalten, deuten nun vor allem Gesichter und Mimik, Körpersprache oder Pose ein wenig die Charaktere an, die Schneider und Zobl zwischen 2007 und 2011 immer wieder getroffen und studiert und dabei kennengelernt haben. Obwohl – nicht anders als bei August Sander – viele anonym oder hinter ihrem Namenskürzel bleiben, repräsentieren sie die verschiedenen Abteilungen und Aufgaben des Betriebes.
Ruth Horak
lesen Sie weiter in:
Beatrix Zobl / Wolfgang Schneider, COMPANY.
Fotografien und Fragmente über das Arbeiten, De Gruyter edition: angewandte