Markus Guschelbauer

Markus Guschelbauer, sir, 2013

... Auf der Bühne, auf der ich mich nun selbst befand, war alles bereit. Den­noch dachte ich daran, einen Schritt auf die Seite zu machen, das Publikum mit seinen Erwartungen zu konfrontieren, vielleicht den Vorhang doch nicht zu öffnen...

Hubert Blanz

Hubert Blanz, Slideshow, 2009, Springer-Verlag/Wien, ISBN 978-3-211-85781-6

Sieben Sekunden dauert ein durchschnittlicher Boxen­stopp bei Formel-1-Rennen. Er passt sich in seiner unglaublichen Effizienz, mit der da in kürzester Zeit von einer eingespielten Mannschaft getankt und Reifen gewechselt werden, an die herrschende Geschwindig­keits-Euphorie an. Zu schnell für unser Auge.

Seven seconds is the length of a Formula One pit stop. The unbe-lievable efficiency and speed with which a well-rehearsed team changes tires and fills the tank is in tune with the overall atmosphere of speed and euphoria. Much too fast for our eyes.

Hubert Blanz, Urban Codes 01, 2013, Ausstellung im Foto-Raum Wien

Hubert Blanz ist der Science Fiction Autor der österreichischen Fotografie.  Seit 2001 baut er an einem hyperrealen Universum: Trabantenstädte aus Polystyrol, auf unüberschaubar vielen Ebenen geschichtete Flughafenpisten oder auf ebenso vielen Etagen geführte Autobahnkreuzungen. Aus dem Netz und aus der Digitalkamera – die Vorgehensweise, Fotos zu akkumulieren, scheint die logische Konsequenz aus einem unbeschränkt zur Verfügung stehenden Bildarchiv zu sein...

Happily Ever After, Fotoraum Wien / Universität für angewandte Kunst, kuratiert von Ruth Horak

A und Z treffen sich zufällig in der zweiten Ausstellung der Klasse Fotografie  von der Angewandten wieder …

 

A (Unbeteiligter): Geben Sie mir recht, dass es nicht einfach ist, künstlerische Fotografie zu definieren? Macht

ein abgeschlossenes Kunststudium aus einer Fotografie automatisch eine „künstlerische“ Fotografie? Wie steckt

man das Revier zu den anderen Fotografien ab?

 

Z (Beteiligter): Reviere und Kategorien sind praktisch, weil sie das Denken erleichtern, aber Übertritte sind immer

auch fruchtbar, fremdes Material belebend! Es ist vielmehr der Kontext, in dem die Fotografien stehen und die

Themen, an denen sie kratzen.

 

A: Sie haben das letzte Mal Michael Dangl und seine selbstreflexive Kritik am Theaterbetrieb erwähnt, heute früh

hab’ ich einen Text von Katharina Luger (1) im Album gelesen – sie unterzieht den Literaturbetrieb einer ähnlichen

(Selbst-)Kritik, indem sie sich den „Solls“ stellt und förmlich runter rasselt, was man als angehende Autorin alles

soll und nicht soll … Ist der Kunstbetrieb auch ein Thema? Wird das eigene Tun reflektiert? Das scheint mir aktuell

ein brennendes Thema zu sein.

 

Z: Absolut! Das Thema der Produktionsbedingungen, der Voraussetzungen, der „To-dos“ und „Musts“, der eigenen Arbeitsweisen oder Arbeitsblockaden stellt den kleinen Gesten der alten Konzeptualisten wieder neue Motive an

die Seite. Sie finden das in langwierig gemalten statt schnell notierten „To-do-Listen“ oder in einer Persiflage auf

den Musenkuss. Die Rolle des Networkings wird ausgestellt, die Frage nach der Definition von „Arbeit“ aufgeworfen

oder die begrenzten räumlichen Verhältnisse aufgezeigt, die aber nicht daran hindern, dass auch dort mehrteilige Environments entstehen.

 

>> weiterlesen im Booklet zur Ausstellung

 
(1) Katharina Luger, „Wie soll ich schreiben?“, in: Der Standard, Wien, 18. Februar 2012, Album A12.

 

Bilding, Fotografie an der Angewandten, 2015
Ernst Koslitsch, Radio (War of the Words), 2012
Anna Stemmer-Dvorak, vom Bock (Proboscidea Wolperting), 2010
Catharina Freuis, Korridor, 2011

Vom Zusammenfall der Gegensätze in der Phantasie – Elfriede Mejchars Arbeiten aus dem Atelier

Das Theater um Begehren und Begehrtwerden hält uns in Schach. Stets dem Vergleich mit den kunstvoll inszenierten Gesichtern jugendlicher Schönheiten ausgesetzt, ist das eigene Spiegelbild ein Bild im Prozess, in dem der Zeichenstift der Natur erbarmungslos unsere Züge täglich nachzeichnet. Elfriede Mejchar spielt in diesem Theater die Rolle der Satirikerin...

Loredana & Günther Selichar, 500 Fotogramm, 2003/09, Barytpapier, 165x155 cm

844 Fotogramm

844 Fotogramm. Während ich den Titel schreibe, schlägt der Computer eine grammatikalische Korrektur vor: 844 Fotogramme müsste es seines Erachtens richtig heißen oder 844 Gramm. Was er nicht wissen kann ist, dass diese grammatikalische Brücke zwischen den beiden Begriffen Fotogramm und Gramm eine Kausalität beschreibt...

844 Photograms (in German 844 Fotogramm) was the title of the exhibition, in which the photograms by Loredana and Günther Selichar (2003/2007) were first shown. As I write the title in German, the computer suggests a gram-matical correction: the computer thinks it should say 844 Fotogramme (photograms) or 844 Gramm (grams). What the computer cannot know is that this grammatical bridge between the terms photogram and gram descri-bes a causality that rarely occurs with such clarity in an image ...

Alles ist irgendwo dokumentiert, aber niemand erinnert sich mehr daran

Die Gewissheit, alles nachträglich irgendwo abrufen zu können, stört seit geraumer Zeit meine Aufmerk-samkeit. Alles – mit der Einschränkung, dass es Teil unserer mediatisierten und vernetzten Kultur ist –  

ist irgendwo dokumentiert. Jede Ausstellung etwa

ist umfassend aufgezeichnet: Die Werke sind in einem Folder, einem Katalog oder auf einer Home-page abgebildet, die Name der Beteiligten kann man googeln, die Schlagworte recherchieren, der Rest kommt auf die Speicherkarte der eigenen Digital-kamera oder des Mobiltelefons. Diese Sicherheiten bzw. Sicherungen entlasten meine Konzentration, das Service der verschiedenen Aufzeichnungs-systeme ist außerordentlich verlockend, aber bei genauerer Betrachtung wird es mir mulmig: Muss ich mir überhaupt noch etwas merken? Kann ich mir überhaupt noch etwas umfassend und detailliert merken?

 

Was ist Fotografie? - Vorlesung an der Universität für angewandte Kunst

Was ist Fotografie? Was fasziniert uns so an ihr? Welche Eigenschaften besitzt sie? Wodurch täuscht sie uns? Wo liegen ihre Grenzen und wie kann man sie überschreiten?Eine offene Frage, die viele Antworten erlaubt, je nachdem woher die Frage stammt und wer darauf antwortet. Und welche Fotografien überhaupt? Werb- oder Modefotografie, soziologische oder medizinische Studie, Illustration, Kunst, Mode, Architektur, Pressefotografie, Amateur-, Reise- oder private Fotografie; ob ihr Zweck das Andenken, die Wissenschaft, die Reportage, die Werbung, die Unterhaltung oder Kunst ist; ob aus der Sicht des Fotografen oder des Fotografierten, des Unikats oder der endlosen Reproduktion … Die Antworten kommen von der Kunst, der Fotografie, von Literatur, Theorie und Film, vom Journalisten oder auch vom Laien in Form von Bildern, Texten und Filmszenen. Jede Antwort ist dabei selbst eine Metapher für die Fotografie. Und zusammen fügen sie sich wie ein Puzzle zu einem Bild von der Fotografie oder: zu einer Fototheorie in Bildern. [WS 2011/12]

Richard Kriesche

In einer seiner frühesten Aktionen im Rahmen der Spectrum Exhibition 1971 in London, saß Richard Kriesche auf einem Stuhl, der an der Wand montiert war. Zusätzlich war das Sujet "sitzender Kriesche" als Bildfeld durch einen Rahmen gekennzeichnet. Die Besucher konnten ihn mit einer bereitgestellten Polaroidkamera fotografieren und damit den Vorgang der Reduktion auf ein zweidimensionales Bild in die Hand nehmen. Gleichzeitig fotografierte auch Kriesche die vorbeikommenden (etwa John Lennon und Yoko Ono) und steckte die Bilder an seinen Rahmen...

Karl Valentin und Lisl Karstadt im Photoatelier

Im selben Jahr, als Walter Benjamin seine kleine Geschichte der Photographie schrieb, nahm Karl Valentin seinen Sketch „Im Photoatelier“ auf. Schauplatz ist ein Photoatelier mit großen Dachflächenfenstern und Requisiten, wie es für die damalige Zeit um 1930 charakteristisch war. Karl Valentin und Lisl Karstadt sind bei einem Photographen in der Lehre. Der Meister muss für zwei Tage verreisen und instruiert seine beiden unwilligen Assistenten, wie sie das Geschäft in seiner Abwesenheit zu führen hätten.

Erwin Wurms Antihelden

Eine Banane in der Hose, eine Zigarette im Nasen-loch, eine Ledertasche im Mund – es sind nur kleinen Verschiebungen von Gemeinplätzen in einem sonst überwiegend alltäglichen Ambiente, das von un-auffälligen Personen bevölkert wird. Aber diese kleinen Eingriffe durchbohren das Bild, unser Blick rast auf sie zu, die es gewagt haben, dem Normalen zu widersprechen ...

 

A man with a banana in his pants, a woman with a cigarette in the nostril, a man with a leather bag in his mouth: minimal shifts of the commonplace in an otherwise largely everyday environment populated by unremarkable people. But these minimal interventions drill through the image; our gaze rushes towards those who dared to go against the normal ...

previewed

"previewed" zeigt Fotogrtafie aus Wien. Fotografie aller 39 AbsolventInnen der vier relevanten Ausbildungsstätten für künstlerische Fotografie aus dem Studienjahr 2010.

Oblomov

Nichts störte die Gleichförmigkeit ihres Lebens, und die Oblomower fühlten sich von ihm nicht bedrückt, weil sie sich kein anderes Dasein vorstellen konnten. Ein anderes Leben hätten  sie gar nocht gewollt und auch nicht gemocht. [...] Die Gram hätte sie verzehrt, wenn das Morgen nicht wie das heute gewesen wäre und das Übermorgen nicht wie das Morgen.

Wozu brauchten sie Abwechslung, Veränderungen, Überraschungen, nach denen andere sehnlichst verlangen? [...]

Nur einmal wurde die Einförmigkeit ihres Daseins durch ein wirklich unvorhergesehenes Ereignis gestört. Als sich alle zum Tee versammelten, kam plötzlich ein Oblomowscher Bauer herein, der soeben aus der Stadt zurückgekehrt war, und zog nach langem Suchen und Tasten und Greifen einen zerknitterten Brief aus der Brusttasche, der auf Ilja Iwanowitschs Namen lautete.

Alle erstarrten; die Hausfrau wechselte sogar ein wenig die Farbe; alle Augen flogen, alle Nasen reckten sich in Richtung des Briefes.

"Was für eine Seltenheit! Von wem ist er denn?" fragte schließlich die Hausfrau, als sie sich wieder gefasst hatte. Oblomov nahm den Brief, dreht ihn unentschlossen in den Händen und wusste nicht, was er mit ihm anfangen sollte. "Wo hast du ihn her?" fragte er den Bauern. "Wer hat ihn dir gegeben?" [...] "Du hättest ihn gar nicht nehmen sollen", bemerkte der Herr zornig. [...]

"Narr!" sagte die Herrin. "Von wem könnte er sein?", sagte Oblomov nachdenklich und betrachtete die Adresse. "Die Handschrift ist mir irgendwie bekannt, wahrhaftig!" [...] Man begann zu reden und zu raten, von wem er sein könnte und was darin stehen könnte. Schließlich wurden alle verlegen.

Ilja Iwanowitsch befahl, ihm seine Augengläser zu suchen: man suchte eine halbe Stunde lang. Er setzte sie auf und dachte schon daran, den Brief zu öffnen.

"Nein, Ilja Iwanowitsch, mach ihn nicht auf!" hielt ihn seine Frau ängstlich zurück. "Vielleicht steht etwas Schreckliches, irgendein Unglück darin. Du weißt doch, wie die Leute heutzutage sind. Morgen oder übermorgen ist noch immer Zeit dazu, er läuft dir nicht davon."

Und der Brief wurde samt den Augengläsern unter Verschluss genommen...

 

[Auszug aus Iwan Gontscharow, Oblomov, dtv Verlag 2003, S. 174-178]

 

 

Arrêté, Kunstraum NÖ

KünstlerInnen thematisieren die Zeit, ihre Dauer und ihre Dimensionen bzw. unterbrechen und verschieben diese. Sie beschleunigen Abläufe, gönnen sich Auszeiten oder synchronisieren ver-gangene und gegenwärtige Ereignisse um damit die soziale Reguliertheit von Zeit zu unterlaufen, kurz: um einmal für kurze Zeit die Zeit anzuhal-ten.

Keiner/r der Filme, der Fotografien, der Instal-lationen in der Ausstellung ist mit der Intention entstanden, die Zeit zu thematisieren, alle handeln von etwas Anderem, aber erzählen letztlich viel über die Zeit.

 

 

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© Ruth Horak